1. Durch Berlin zieht sich das Urstromtal, in dessen Mitte als eiszeitlicher Rest die Spree fließt. Hier befinden sich auch die meisten Wasserwerke, aus denen Berlin
sein Trinkwasser bezieht.
2. Die Bebauung Berlins im Urstromtal - wie die darin vorhandenen ehemaligen Sumpf- und Überschwemmungsgebiete zwischen Rudow und Johannisthal (siehe obige Karte aus
dem Jahr 1890) - mit natürlichen Grundwasserständen bis zu den Geländeoberflächen wurde im letzten Jahrhundert erst durch die künstliche Absenkung der Grundwasserstände infolge der Inbetriebnahme
dieser Wasserwerke möglich. In deren Umfeld entstanden dabei große Absenktrichter im Grundwasser, in denen viele Gebäude, ja ganze Stadtteile errichtet wurden.
Im Zuge der politischen Teilung Berlins wurden auf der Suche nach Bauland im Westen der Stadt im Jahr 1959 vom West-Berliner Senat die Bebauungspläne für das
Buckower / Rudower Blumenviertel festgesetzt. Man wollte die Abwanderung junger Familien aus Berlin verhindern.
Rudow und Johannisthal liegen im Einfluss-und Einzugsgebiet des Wasserwerkes Johannisthal (WJ), das seinerzeit in Ost-Berlin bis 1989 / 1990 von den
dortigen Verwaltungen betrieben wurde.
3. Gravierende fehlerhafte Verwaltungakte der Westberliner Behörden auf Senats- und Bezirksebene bei der Aufstellung / Festsetzung der Bebauungspläne und bei der
öffentlich-rechtlichen Prüfung der Standsicherheitsnachweise im Rahmen der Baugenehmigungen
führten in Rudow zwischen 1959 und 1989 zu ca. 4.000 statisch gegen hohe Grundwasserstände ungeschützten Neubauten.
Dem Bauaufsichtsamt Neukölln war seit 1958 nachweislich die Gefährdung des Buckower / Rudower
Blumenviertels und seiner angrenzenden Gebiete (BRB) durch hoch anstehendes Grundwasser bei Ausfall des Wasserwerkes Johannisthal
bekannt.
Schon im Zuge der Aufstellung der Bebauungspläne teilte der Senat am 13. Juni 1958 dem Bezirksamt Neukölln mit:
"Die alluviale (Anm. der Verf.: eiszeitliche) Niederung hat
einen so hohen Grundwasserstand, dass hier eine Unterkellerung der Gebäude kaum möglich sein wird."
4. Das Bauaufsichtsamt Neukölln jedoch
- zwang die Bauherren, ihre Gebäude tief ins Erdreich einzubringen, obwohl die BauO Bln 60 cm höhere
Einbaumaße zuließ,
- strich den Passus "Erkundigen nach den höchsten Grundwasserständen" in den Nebenbestimmungen
zur Baugenehmigung für die jeweiligen Bauvorhaben als nicht erforderlich und
- unterließ es, in die Prüfung der Standsicherheit der zu genehmigenden Neubauten die Gefahr
potenziell hoher Grundwasserstände - z. B. bei Ausfall des WJ - einzubeziehen.
Bauvorhaben, die den statischen Anforderungen hoher Grundwasserstände nicht genügten, durften so nicht genehmigt werden!! Die Bauherren mussten darauf vertrauen
können, dass die eingereichten Bauunterlagen fach- und sachkundig geprüft wurden.
Seinerzeit finanzierten viele Bauherren ihre Bauvorhaben mit Krediten der landeseigenen Wohnungsbaukreditanstalt (WBK).
Auch die WBK musste darauf vetrauen können, dass das Bauaufsichtsamt Neukölln keine standunsicheren Bauvorhaben genehmigte.
5. Die dennoch so vom Bauaufsichtsamt Neukölln genehmigte Bebauung nennt der Senat heute eine "unangepasste Bebauung".
Er droht (!!) der Bevölkerung mit "schweren Schäden" an ihren "unangepassten" Gebäuden!
Wir nennen es: Zerstören!
Siehe unten stehende PDF-Dateien mit der Drohung der Senatsumweltverwaltung
unter Leitung der Partei Die Linke vom Juli 2007 und der Fraktion der SPD im Berliner
Abgeordnetenhaus, die sich im November 2014 (!) wortgleich dieser Drohung anschloss!
Eine "Schuldzuweisung" an die Betroffenen bzw. Bauherren ist angesichts der o. a. Fakten absurd.
Die ausgenutzte Baugenehmigung hat so lange Bestand, wie das Bauwerk und seine Nutzung bestehen. Ein staatlicher Eingriff (Senat) in die öffentlich-rechtlich bescheinigte Standsicherheit dieser Bauwerke durch hoch anstehendes Grundwasser noch dazu mit der Androhung
"schwerer Schäden" - ohne vorab im Rahmen des Grundwassermanagements entsprechende Schutzmaßnahmen
(Ergänzungs- bzw. Ersatzfördermengen) eingeleitet zu haben - ist daher nicht hinnehmbar und war und ist absolut tabu!
6. Besonders im Ostteil der Stadt wurde bis zur Wende viel Grundwasser gefördert und als Trinkwasser verbraucht. Gebäudeschäden durch hohe Grundwasserstände gab es
nicht. Das Wasserwerk Johannisthal in Ostberlin förderte vor der Wende noch ca. 65.000 Kubikmeter pro Tag. Der sich dabei ergebende Absenktrichter reichte bis ins Rudower Blumenviertel und seine
angrenzenden Gebiete und sicherte dort trockene Keller und standsichere Gebäude.
7. Der stetige Rückgang des Trinkwasserbedarfs - im Wasserwerk Johannisthal wurde nach der Wende die Grundwasserförderung auf ca. 30.000 Kubikmeter pro Tag
gedrosselt (Altlasten!) - führte in den 90er Jahren zu einem sprunghaften Anstieg der Grundwasserstände - zum Teil um mehrere Meter! Fast die Hälfte der Berliner Wasserwerke wurde
dauerhaft geschlossen. Die großen Absenktrichter der Wasserwerksbrunnen liefen voll. Das Grundwasser stieg in Rudow und Johannisthal flächendeckend bis in die Keller tausender gegen hohe
Grundwasserstände statisch ungeschützte Gebäude.
Das Land Berlin / der Berliner Senat stand daher in der Verantwortung / Pflicht, die gravierenden fehlerhaften Verwaltungsakte der Westberliner Baubehörden während
30 Jahren an ca. 4.000 Neubauvorhaben auszugleichen / zu heilen (siehe: 4.)!
Heilen statt zerstören!
8. Zur ersten Abhilfe aus der so herbeigeführten / verursachten "Notlage an ca. 600 mit steigender Tendenz betroffenen Rudower Bürger/innen" (Originalton
Berliner Senat) genehmigte das Berliner Abgeordnetenhaus dem Berliner Senat im Jahr 1995 die Finanzierung, den Bau und den Betrieb einer Heberbrunnenanlage entlang des Glockenblumenweges im
Rudower Blumenviertel. Die Anlage ging 1997 / 1998 in Betrieb und läuft auch heute noch. Das geförderte Grundwasser wird in den Teltowkanal eingeleitet ("abgeschlagen").
9. Mit dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG), dem Berliner Wassergesetz bis 1999 und später der EU-Wasserrahmenrichtlinie konnte der Schutz der seit Jahrzehnten
bestehenden dichten innerstädtischen Besiedlung / Bebauung vor siedlungsunverträglichen Grundwasserständen nicht sichergestellt werden.
Daher beschloss das Berliner Abgeordnetenhaus im Jahr 1999 zum Schutz der massiv von hohen Grundwasserständen betroffenen Bevölkerung die Einfügung des
§ 37 a mit Begründung und Einzelbegründung in das Berliner Wassergesetz (BWG). Dem Berliner Senat wurden damit "die aus historischen Gründen fehlenden bestimmten wasserrechtlichen
Steuerungsinstrumente", "das Instrument des Grundwassermanagements", an die Hand gegeben.
Damit hätte der Berliner Senat die Grundwassernotlage sofort beenden können, da ihm jetzt auch die gesetzlich fixierte Option eröffnet wurde, über die zu
Trinkwasserzwecken hinaus zur Grundwasserstandssteuerung etwa erforderlichen Ergänzungsfördermengen aus dem Landeshaushalt zu finanzieren. Der Senat tat es jedoch bis heute nicht im
erforderlichen Umfang.
10. Weitere Projekte - das seit 1993 unter Senatsregie laufende Ökologische Großprojekt Berlin - ÖGP (Altlastensanierung im Südosten Berlins)
und das Abwasserrecycling (über das Klärwerk Waßmannsdorf fließt seit 1998 zusätzlich Wasser auf Berlin zu) - haben die Grundwassersituation im Gebiet Rudow / Johannisthal zusätzlich verschärft.
Wesentlicher Sanierungsfall im ÖGP ist das Wasserwerk Johannisthal.
11. Das Wasserwerk Johannisthal wurde im Jahr 2001 wegen der auf das Wasserwerk zufließenden verseuchten Grundwasserströme vom Trinkwassernetz der Berliner
Wasserbetriebe (BWB) abgeschaltet. Das kam den BWB entgegen: Berlin mit möglichst wenigen Wasserwerken zu versorgen (Kostenreduzierung!). Nach Beendigung (vorgesehen war das Jahr 2009) des ÖGP
sollte das Wasserwerk Johannisthal jedoch wieder an das Trinkwassernetz angeschlossen werden. Inzwischen wurde aus 2009 dann 2014 / 2015 und auch dieser Termin wurde längst überschritten.
12. Damit das Gebiet Rudow / Johannisthal nicht endgültig wieder zum ehemaligen Sumpf- und Überschwemmungsgebiet würde, wird seit dem Jahr 2001 im Wasserwerk
Johannisthal Grundwasser im gewissen, allerdings unzureichenden Umfang gefördert und in die angrenzenden Kanäle eingeleitet (siehe unten: Zusammenfassung in
Kurzform). Die Finanzierung erfolgt durch den Berliner Senat.
13. Die vom Berliner Abgeordnetenhaus 2001 beschlossene Grundwassersteuerungsverordnung, hervorgegangen aus der Einzelbegründung zu
§ 37 a BWG, soll verhindern, dass über Jahrzehnte künstlich abgesenkte Grundwasserstände in einem
siedlungsunverträglichen Ausmaß angehoben werden. Das wird für das Gebiet Rudow / Johannisthal bis heute nicht erreicht.
Ersatzlos setzten Herr Lederer als Vertreter des Regierenden Bürgermeisters und Frau Günther als zuständige Senatorin im August 2017 die
Grundwassersteuerungsverordnung außer Kraft, obwohl Paragraf 37 a BWG explizit diese Durchführungsverordnung verlangt!
14. Nachträgliche Abdichtungen von Gebäuden sind, wenn überhaupt technisch darstellbar, mit erheblichem Material- und Kostenaufwand (Einfamilienhaus bis ca. 150.000
€) verbunden.
15. Sollten die Grundwasserpegel, wie vom Berliner Senat angekündigt und begrüßt, weiter in Richtung natürlicher bzw. der höchsten zu erwartenden Grundwasserstände
(zeHGW) getrieben werden, dann wird es in Rudow und Johannisthal kaum ein Gebäude geben, das nicht hiervon betroffen wäre: Unsere Gebäude würden im Morast des Sumpf- und Überschwemmungsgebietes
versinken. Auch heute steht das Grundwasser flächendeckend trotz der Schutzgesetze unzulässig in den Fundamenten, Wänden und Kellern zahlreicher Gebäude in unseren Stadtgebieten. Es gefährdet
massiv unsere Gesundheit und die Standsicherheit unserer Gebäude (Einsturzgefahr!). Oft sind sich die Hausbesitzer der bereits bei ihnen bestehenden Grundwasserschädigung nicht bewusst.
16. Par ordre du Mufti: Das Pilotprojekt
Die von den Vertretern der Betroffenen am Runden Tisch Grundwassermanagement 2012 erarbeiteten Abhilfemaßnahmen aus der
flächendeckenden Grundwassernotlage werden von der Senatsverwaltung unsachlich und falsch
wiedergegeben. Damit soll in der Öffentlichkeit und gegenüber den Abgeordneten der Eindruck erweckt werden, dass diese Maßnahmen nicht finanzierbar wären, obwohl das Gegenteil Fakt
ist.
Auf diese Weise versucht der Berliner Senat im Jahre 2014, im Rahmen eines Pilotprojektes für das Buckower / Rudower Blumenviertel die von ihm verursachte
Grundwassernotlage und die ihm zur Lösung der Problematik gesetzlich übertragene Aufgabe des Berlin-weiten Grundwassermanagements und seine Finanzierung auf die Bürger/innen der Stadt
abzuwälzen. Der Senat verkauft es als "Hilfe zur Selbsthilfe". Er unterlässt die zugesagte und notwendige Beteiligung der Betroffenen-Vertreter am Runden Tisch
Grundwassermanagement an einem derartigen Experiment: Pilotprojekt für das Buckower / Rudower Blumenviertel (Details dazu auf unseren Seiten "Neues zur Grundwassernotlage ..." und
"Aktuelles").